#cnetz e.V. – 22.5.2020
Ein vernünftiger Zugang zum Internet ist ein Grundbedürfnis. Gerade in Zeiten von Corona ist die Dringlichkeit des Ausbaus stark angestiegen. Die aktuelle Vorgehensweise wird dem nicht gerecht. Mehr als 4 Mio. Haushalte haben keinen ausreichenden Internet-Anschluss.
In der Corona-Zeit macht das deutsche Internet den Härtetest: Millionen von Menschen arbeiten von zu Hause, machen Videokonferenzen, lassen ihre Kinder per Internet lernen und schauen am Abend Videos. Die gute Nachricht: Die Leitungen sind stabil, die Services laufen allesamt. Die schlechte Nachricht: Das gilt nur für 90,2% der deutschen Haushalte, knappe 10% erleben gerade die Folgen von schlechter Verfügbarkeit.
So hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zuletzt am 23.3. seinen Bericht zur Breitbandsituation in Deutschland veröffentlicht(https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/ZukunftBreitband/breitbandatlas-langbericht.html).
Zentrale Erkenntnis: Die bereits für 2018 zugesagte vollständige Verfügbarkeit von 50Mbit/swird in knapp 10% der Haushalte nicht erreicht. Damit verbunden ist besonders beim Upload ein erheblicher Engpass, so haben Anschlüsse mit 16Mbit/s nur eine Uploadgeschwindigkeit von 1 Mbit/s –zu wenig, um sinnvoll an Videokonferenzenteilzunehmen. Das bedeutet: 4,05 Mio. Haushalte haben nur eingeschränkt oder gar keine Teilhabe am Internet.
Auch bei schnellen Anschlüssen liegt Deutschland zurück. Nur 3,6% der Haushalte verfügen über Glasfaser, steigt auch kaum an(https://de.statista.com/infografik/3553/anteil-von-glasfaseranschluessen-in-ausgewaehlten-laendern/?fbclid=IwAR2z9IiSTZ3zaAsX-ZRiO0itNfMsqQmAx9utwK_Gj4SljOz0iwI3mp1o9Og). „Fast nirgendwo in den Industriestaaten ist der Glasfaseranteil derartig niedrig“ kommentiert dies Statista aktuell. Zum Vergleich: In Spanien haben 62,5% der Haushalte Glasfaseranschlüsse, der OECD-Durchschnitt liegt bei 26,8%.
Dem entgegen stehen Investitionsbudgets von nicht gekanntem Ausmaß. Über 14Mrd. Euro stehen für den Breitbandausbau zur Verfügung, doch die Projekte werden nicht fertig. Von über 800 Fördervorhaben sind nicht einmal 50 bislang fertiggebaut –in mittlerweile fast fünf Jahren Bauzeitraum.Von zugesagten Mitteln in Höhe von 6,3 Mrd. Euro wurden bislang erst 530 Mio. ausgezahlt, weniger als 10% (Stand Mai 2020, Quelle: Bericht BMVI). Insgesamt sollen 2,4 Mio. Breitbandanschlüsse gefördert werden, es gibt aber keine verfügbare Information, wie viele Anschlüsse davon bereits errichtetwurden. Dies deutet darauf hin, dass diese Zahl gering sein muss.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Insbesondere sind die Förderverfahren extrem langwierig und aufwändig, erfordern zudem viel Bürokratie. Auch die Steuerung über Kommunen verlangt dort zunächst den Aufbau von Kompetenz in Sachen Breitband. Selbst einzelne Häuser noch über Kilometer unterirdisch anzubinden frisst wertvolle Ressourcen. Möglichkeiten zur schnellen Erschließung entlegener Regionen per Satellit werden anders als in Frankreich nicht genutzt.
Deshalb spricht sich der cnetz e.V. für einen Neustart des Breitbandausbaus in Deutschland aus. Wird die bisherige Förderstrategie fortgesetzt, so rückt selbst das für 2018 vorgegebene Ziel von 50 Mbit/s in unerreichbare Ferne. Im Kern steht ein vollständiger Wechsel des Fördersystems, weg von der Komplexität der heutigen Einzelprojektprüfungen hin zu einem System einfacher, pauschaler Zuschüsse.
Dabei ist uns wichtig, dass es endlich eine Diskussion darüber gibt, wie Deutschland den Breitbandausbau stemmt. In vielen anderen Politikbereichen, von der Rentenpolitik bis zum Baurecht, wird sehr intensiv über die Technik der Maßnahmen diskutiert. Es ist das zentrale Problem der Digitalpolitik, dass im politischen Raum meist nur über die Ziele, nicht aber über die Wege dorthin diskutiert wird. Wir fordern eine Diskussion über genau diese Maßnahmen und beginnen dazu auch mit konkreten Vorschlägen:
1. Im Kern steht ein fester Zuschuss pro Anschluss. Damit wird die Bürokratie und Komplexität des Förderverfahrens radikal reduziert und die Ausbaugeschwindigkeit erhöht.
Danach erhält der Anbieter, der als erstes einen Anschluss auf mindestens1GBit/s aufrüstet, dafür einen Zuschlag.Dazu braucht es dann keine langwierigen Antragsverfahren, Ausschreibungen, etc. Wer baut, bekommt direkt Geld. Dazu gibt es eine pauschale Fördersumme pro Anschluss:
– Die Höhe der Förderung ist bestimmt nach dem #cnetz-5-Stufen-Modell. Es gibt fünf verschiedene, pauschale Fördersätze(bspw. 1.000, 2.000, 3.000, 4.000 und 5.000 Euro pro Anschluss; genaue Höhe ist zu berechnen). Diese bilden grob die ungefährenKosten pro Anschluss ab; zur Bestimmung helfen die bisherigen Erfahrungswerte. Es liegt auf der Hand, dass Kosten steigen mit abnehmender Bevölkerungsdichte, Entfernung zum nächsten Kabelverzweiger(KVz), mit komplexerer Topgraphie und zu definierenden weiteren Kriterien. Entscheidend dabei ist, dass sofort für jedes Anschlussgebiet die Zuordnung zu einem der fünf Fördersätze möglich ist ohne weitere langwierige Untersuchungen.Die Fördersätze sollen für jede dieser fünf Fördersätze/Gebietsklassen den durchschnittlichen Ausbaukosten im bisherigen Verfahren entsprechen.
Um ein Cherrypicking zu vermeiden, soll es Korrekturverfahren geben. Dazu gehört, den Anteil der aufgerüsteten Anschlüsse im Bereich des jeweiligenKVz bzw. einem sinnvollen Verbund von KVzmit zu bewerten. Denkbar wäre bspw., dievolle Förderprämie bei 100%Ausbau zu entrichten, darunter eineexponentielle Senkungvorzunehmen.Rechenmodell könnte in etwa so aussehen: 97% der Anschlüsse werden erreicht, entspricht 1-(0,97³)=91,2%
Die exakte Grundlage für die Förderung soll im Dialog mit der Branche und Gemeinden erfolgen anhand der umfangreich vorhandenen Praxiserfahrungen der letzten fünf Jahre.
2. Die Standards für die Verlegungmüssen so geändert werden, dass das Ausbautempo steigt. Dazu gehört insbesondere ein Rahmen für die letzte Meile zu vereinzelten Bauwerken. Hier sind oberirdische Verlegung oder alternativ die Anbindung per Richtfunk, ggf. vermascht, das Mittel der Wahl. Es muss radikal entbürokratisiert werden, auch auf der Ebene der Gemeinden. Dazu müssen stärkere Anreize zur Beschleunigung von Genehmigungsprozedurengeschaffen werden (z.B. Bundesförderanteil steigt, wenn Genehmigungsverfahren vor Ort zügig ablaufen).
3. Das soll flankiert werden durch einen leistungsfähigen Zugang per Satellit, um die vorhandene Lücke zeitnah zu füllen. Davon ab wird es zunächst nicht sinnvoll möglich sein, jeden einzelnen weit entfernten Anschluss per Kabel zu erreichen, auch hier ist ein leistungsfähiger Anschluss per Satellit notwendig.Eine solche Strategie wird derzeit in Frankreich ausgerollt. Deutschland sollte ebenfalls in Breitbandsatelliten investieren, die eine Versorgung von mind. 50 Mbit/s für die weißen Flecken binnen 12-18 Monaten bereitstellt.
4. Es wird eine Förderung aufgesetzt für WLAN in öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit einem ähnlich pauschalen Modell wie (1) werden auch WLAN-Hotspots an Haltestellen, insbesondere aber in öffentlichen Nahverkehrsmitteln (Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen) sowie auch im schienengebundenen Nahverkehr (S-Bahn und Regionalexpresszügen) gefördert.
Auch bei einer deutlichen Beschleunigung der Maßnahmen ist die Notwendigkeit einer sofortigen Verfügbarkeit für betroffene Haushalte groß. Deshalb schlagen wir zusätzlich ein Sofortprogramm vor.
5. Für die Orte in Deutschland, wo es keinen leitungsgebundenen Anschluss mit mindestens 50 Mbit/s gibt, jedoch einen entsprechenden Zugang per LTE oder 5G, fordern wir ein Sofortprogramm. DerBund soll Rahmenverträge mit den Mobilfunkanbietern abschließen und eine Förderung vornehmen, so dass Fair-Flat-Anschlüsse(heute 500 GB/Monat, dynamische Weiterentwicklung) über LTE/5G in alldiesenGebieten für unter 50 Euro im Monat angebotenwerden. Zudem soll es Voucher für die notwendige Hardware sowie eine Installation von Außenantennen geben. Gebühren für vorhandene Anschlüsse sollen verrechnet oder mit einem Recht zur Sonderkündigung ausgestattet werden(Bestandteil des Rahmenvertrags). Damit bekommen zahlreiche Nutzer quasi über Nacht einen schnellen Internetzugang.