Für die Sondierungen zwischen CDU, CSU und SPD erneuert das #cnetz seine Standpunkte in Fragen der Digitalisierungspolitik. Auch wenn der potenzielle Partner ein anderer ist, bleiben die Themen. Wir sehen neben den beiden zentralen Punkten eGovernment mit einem benutzerfreundlichen Bürgerportal als Frontend und der Beschleunigung des Breitband-Ausbau mit einem Schwerpunkt Glasfaser vier weitere, aus unserer Sicht herausragende Herausforderungen:
Smart und Open Data
Steht in der öffentlichen Debatte oft die Hardware-Infrastruktur im Vordergrund, sind Daten heute der viel wichtigere Treiber für Innovation im Internet. Die deutsche Datenpolitik war in der Vergangenheit oft geprägt vom Wunsch nach Restriktionen und weniger von der Hebung dieses Innovationspotenzials. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Bei der Nutzung von Daten muss zwischen den deutschen und europäischen Startups und Digitalunternehmen ein Spiel auf Augenhöhe mit den amerikanischen Giganten hergestellt werden. Dazu muss einerseits das europäische Datenschutz- und Kartellrecht stärker durchgesetzt werden. Andererseits müssen die Spielräume der DSGVO ausgenutzt werden dürfen. Die in Brüssel derzeit verhandelte ePrivacy-Verordnung ist hinsichtlich der Standards für Datensicherheit sehr zu begrüßen. Bei den Regelungen zur Datenverarbeitung darf die ePrivacy-Verordnung aber nicht hinter die DSGVO zurückfallen.
Zudem soll die bestehende Gesetzeslage eine bessere Balance zwischen Datenschutz und Dateninnovation erhalten. Konkret soll die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit als dritten Auftrag das Thema Daten-Innovation erhalten, um eine bessere Abwägung bei Entscheidungen treffen zu können. Wir wollen einen nationalen Sachverständigenrat für Dateninnovation, ähnlich den „Wirtschaftsweisen“, die sog. „Datenweisen“. Für die Weiterentwicklung der DSGVO wollen wir in der EU neben der Gruppe 29 ein Innovationsboard einführen, das als Gegengewicht Empfehlungen für die Weiterentwicklung der DSGVO aus Innovationssicht erarbeitet. Eine wichtige Innovationsquelle sind auch die öffentlichen Daten des Staates. Die Einführung des Open Data Gesetzes ist ein großer Schritt. Dieser Weg muss aber weitergegangen werden, insbesondere in Bezug auf die offenen Daten bei Ländern und Gemeinden.
Digitale Bildung und Forschung
Ein weiteres Schlagwort ist immer wieder die „digitale Bildung“. Hierunter versammeln sich zahlreiche Facetten eines Themas, welches weit mehr als nur schulische Belange betrifft. Es geht um den gesamten Bildungspfad, angefangen bei den Schulen über die Berufsschulen und Kollegs, die Universitäten und Hochschulen bis hin zur beruflichen Bildung. Wir erwarten, dass die angestrebte Aufhebung des Kooperationsverbotes insbesondere dazu genutzt wird, dass nicht nur eine materielle, sondern auch eine inhaltliche Ausgestaltung umgesetzt wird. Die Ideen reichen von „ein Calliope je Grundschulkind sowie ein Rasperry Pi je Kind in weiterführenden Schulen“ bis hin zur Integration und Nutzung der Digitalisierung in den einzelnen Schulfächern. In den Berufsschulen und Kollegs müssen die Curricula adaptiert und eine sehr moderne Informatik zum Pflichtkurs in jeder Berufsausbildung werden. An den Universitäten und Hochschulen gilt es Plattformen zu etablieren sowie vor allem Programmierung und Datenwissenschaft als Propädeutik in jedes Fach zu integrieren. Ein Absolvent darf nie wieder ohne angemessene und hochwertige Fachkenntnisse deutsche Universitäten und Hochschulen verlassen. Für die berufliche Bildung möge die Bundesregierung einen Pakt mit der Wirtschaft schließen, so dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer alle 3 Jahre ein längere Fachspezifische Ergänzungs- und Fortbildungsausbildung erhalten.
Schließlich sollen Forschungsaktivitäten, die mit öffentlichen Geldern finanziert werden, in Zukunft zu offenen Publikationen (Open Educational Resources, Open Access) sowie einem Zugang zu den Rohdaten im Open Data Ansatz verpflichtet werden. Im Umkehrschluss sollen solche Forschungsbemühungen besonders gefördert werden, die diesen Ansprüchen von Anfang an Genüge tun. Diese Formen der Publikationen sollen zukünftig gleichwertig zu traditionellen Publikationsformen gewertet werden.
Fokussierung eMobility und Smart Cities
In den letzten Jahren hat sich nicht nur Estland zum „Musterland“ der Digitalisierung entwickelt. Im Windschatten dieses kleinen Landes hat sich z. B. Finnland schnell und nachhaltig sowohl technologisch als auch strukturell entwickelt. Hyperloop und andere Technologien sind dort nur deshalb erfunden worden, weil man sich konstant einer intelligenten Logik aus StartUp-Kultur und Know-How über mobile Netzverbindungen gestellt hat. Auch andere Länder, z. B. die Niederlande oder sogar Österreich haben sich im Wettbewerb um die urbanen Ökologien von Morgen, zunehmend unter dem Oberbegriff Smart Cities und Elektromobilität zusammengefasst, aufgestellt. Nicht wenige sagen: „Smart Cities are the next big thing“. Wir erwarten von der neuen Bundesregierung eine weit über reines eGovernment hinausgehende Positionierung und Ausrichtung der Aktivitäten auf die proaktive Gestaltung dieser beiden Zentralbereiche. Dabei gilt es integrativ von der Verkehrsflusssteuerung und Entlastung von fossilen Brennstoffen, die Gestaltung digitaler Ökologien in den Stadtgebieten über die Entwicklung lebensqualitativ hochwertiger ländlicher Lebensräume die Digitalisierung zum Verbesserung der Gesamtversorgung einsetzen. Ziel in Deutschland muss sein, dass anknüpfend an umfängliche und landesweite eGovernment-Lösungen, die Städte und der ländliche Lebensraum von Morgen unter Berücksichtigung nachhaltiger und Ressourcen schonender digitaler Technologien entsteht.
Cyberkriminalität und Überprüfung bestehender Gesetze
Die Gewährleistung eines größtmöglichen Maßes an Sicherheit und Freiheit ist dabei Kernauftrag des Staates. Cybersicherheit ist elementarer Bestandteil einer erfolgreichen Digitalpolitik. Nur wenn Staat, Wirtschaft und Gesellschaft sich erfolgreich gegen Cyberangriffe schützen können, wird aus dem digitalen Wandel eine echte Chance. Dabei kommt neben dem Schutz kritischer Infrastrukturen vor allem der Sicherheit im „Internet der Dinge“ eine besondere Bedeutung zu. Erfolgreiche Cyber-Angriffe werden zumeist durch fehlendes Problembewusstsein und fahrlässiges Handeln möglich. Neben dem Einsatz sicherer Systeme entsteht Cybersicherheit daher vor allem durch ein dem Risiko angepasstes Verhalten. Daher muss der Information und Sensibilisierung von Bürgern und Unternehmen ein besonderes Augenmerk gewidmet werden. Dazu bedarf es einer breit angelegten Aufklärungskampagne über die Risiken von Cyberangriffen sowie zu entsprechenden Präventionsmaßnahmen. Eine Erhöhung der Anwenderkompetenz auf Unternehmensseite geht einher mit der Verfügbarkeit von Fachkräften. Auch hier muss der Bund gemeinsam mit den Ländern eine gemeinsame Aus- und Weiterbildungsagenda insbesondere im Bereich der IT-Kompetenzen aufstellen und umsetzen. Notwendig ist dabei auch die Etablierung eines eigenen Ausbildungsberufes „Cyber Security Professional“ (ggf. in Anlehnung an eine Weiterentwicklung des Ausbildungsberufs zum Informatiker).
Zudem muss Sicherheit im Cyberraum intensiver global gedacht werden. Gerade mit Blick auf Industrie 4.0 besitzt der Staat eine Vorsorgepflicht gegenüber Wirtschaft und Bürgern. Im Rahmen der Cyber-Außenpolitik muss sich die Bundesregierung stärker als bisher dafür einsetzen, dass jeder Staat seine Bemühungen zur Erhöhung der Cybersicherheit intensiviert und kritische IT-Infrastrukturen besser gegen Attacken geschützt sowie intensiv gegen Cyberkriminalität vorgegangen wird. Mittelfristig ist ein verbindliches Abkommen für verantwortliches Handeln im Cyberraum unabdingbar. Darüber hinaus bedarf es eines intensiveren Ressourcen und Kapazitätsaufbaus im Verantwortungsbereich der Staaten, um Cyberkriminalität wirksam zu bekämpfen. Hier sollte die Bundesregierung mit internationalen Partnern noch stärker zusammenarbeiten.
Das #cnetz hat in der Vergangenheit oft auf die Fehlleitung des Leistungsschutzrechts hingewiesen. Wir erwarten von der neuen Bundesregierung die Abschaffung des Leistungsschutzrecht in bestehender Form. Auch hinsichtlich des NetzDG fordern wir eine zeitnahe Prüfung der Effektivität des neuen Gesetzes inklusive entsprechender Anpassungen oder der Abschaffung.
Digitale Spiele, Serious Games und eSport
Das #cnetz setzt sich dafür ein, dass die kulturelle Bedeutung und die Optionen der Nutzung digitaler Spiele sowohl als Unterhaltungsleitmedium als auch als zukunftsweisendes Instrument der Wissensvermittlung deutlich gestärkt werden. Welche wirtschaftliche Wirkmacht eine gezielte und vor allem strategisch angelegte Förderung haben kann, sieht man exemplarisch in Kanada oder Finnland. Einerseits konnten so zahlreiche neue, nachhaltige Arbeitsplätze in hochqualifizierten Berufsfeldern geschaffen werden und andererseits profitieren diese Länder auch wirtschaftlich vom Wachstum der Unternehmen. Eingesetztes Fördergeld wurde dort in Form signifikant höherer Auslandsinvestitionen sowie Steuermehreinnahmen verzinst. Zudem können in diesen Ländern heute schon deutlich mehr Bildungsanbieter auf Wissen zurückgreifen, mit Hilfe dessen neue und zukunftsfähige Lernangebote gestaltet werden können. Die Förderangebote sollten dabei nicht zuletzt auch international konkurrenzfähig ausgestaltet werden, selbst wenn dies die Etablierung neuer, über De-Minimis Lösungen hinausgehender Förderinstrumente bedarf. Damit können vor allem auch StartUps und junge Unternehmen gestützt und eben auch diese neuen Instrumente im Feld für den gesamten digitalen High-Tech-Sektor verprobt werden. Außerdem soll dabei ein Augenmerk auf die akademische Ausbildung gelegt werden, denn entsprechende Studiengänge im Bereich der Spieleprogrammierung tragen letzten Endes auch zu einem Zuwachs an qualifiziertem Personal für angrenzende Berufe im digitalen Umfeld massiv bei.
Auch einer besonders wettkampforientierten Form des Spielens, dem eSport, sollte in Zukunft mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Nicht nur die Tatsache, dass schon große Nationen wie Russland und China eSport als Sport anerkannt haben, sondern auch vor dem Hintergrund, dass bei einer staatlichen Anerkennung Vereinsstrukturen gestärkt und somit auch ein friedliches soziales Miteinander entwickelt werden kann. Dies bedeutet, dass eSport weit mehr ist als nur Spielen. Durch gezielte Unterstützung und sportwissenschaftliche Begleitung können so Strukturen geschaffen werden, die dieser primären digitalen Jungendkultur eine gesellschaftlich akzeptierte Basis geben. Es ist absehbar, dass eSport mittelfristig in seiner global zunehmenden Bedeutung auch in den olympischen Kanon aufrücken wird. Ein frühzeitiges Engagement wird sich auszahlen.