Der digitale Wandel ist der tiefgreifendste Veränderungsprozess unserer Zeit. Dabei steht die Digitalisierung, die für viele im privaten und geschäftlichen Bereich schon Realität ist, im Bereich der öffentlichen Verwaltung noch am Anfang. Aber nicht nur im Vergleich mit anderen Lebensbereichen, auch im internationalen Vergleich liegt die deutsche Verwaltung im Hintertreffen. So sieht eine Studie der EU-Kommission Deutschland auf Platz 18 bei digitalen öffentlichen Dienstleistungen. Digitalisierung im Bereich der öffentlichen Verwaltung bzw. E-Government soll aber kein Selbstzweck sein. Was ist also das Potenzial für Kommunen und Bürger? Und wie können wir in Deutschland und vor allem in Hessen eine Vorreiterrolle im Bereich der Digitalisierung von Behörden und Verwaltung bzw. dem E-Government einnehmen?
„Online-First-Strategie“ in der öffentlichen Verwaltung
Das Netzwerk Digitalisierung der CDU Deutschlands hat in seinem Papier „Deutschland als Vorreiter des digitalen Staates“ die Forderung aufgestellt, dass Deutschland bis zum Jahr 2021 auch im Bereich des E- Government in der EU führend sein soll. Um dies zu erreichen, wurde ein umfangreicher Forderungskatalog aufgestellt. Unter anderem soll eine „Online-First-Strategie“ umgesetzt werden, die alle behördlichen Dienstleistungen auch online verfügbar machen soll und es erfordert, dass neue Services immer zuerst auch online bereitgestellt werden müssen.
Nutzen von E-Government für Kommunen und Wirtschaft
Das #cnetz in Hessen unterstützt diese „radikale“ Forderung, weil wir nicht nur ein erhebliches Kosteneinsparungspotential für die Verwaltung erwarten, sondern auch verkürzte Bearbeitungszeiten und eine verbesserte Service-Qualität als konkreten Nutzen für die Bürger. Gerade in Lebensphasen, in denen Bürger einen besonders häufigen Kontakt mit der Verwaltung haben (bspw. die Geburt eines Kindes, die Betreuung von Angehörigen oder der Bau eines Eigenheims) kann E-Government viele unnötige Behördengänge ersparen. Schon heute bieten einige Kommunen Dienstleistungen online an, wie bspw. die online Bestellung und Bezahlung von standesamtlichen Urkunden oder online Beauftragung von Müllabholungen. Trotz dieser anschaulichen Beispiele sind aber die E-Government-Angebote auf kommunaler Ebene in Deutschland in den letzten 10 Jahren lückenhaft geblieben und konnten in den seltensten Fällen das volle Potential elektronischer Leistungserbringung realisieren.
Dabei bringt eine elektronische und internetgestützte Bereitstellung von Verwaltungsverfahren auch für die kommunale Verwaltung ein deutliches Einsparpotential. Ein Positionspapier der Vitako „Sparen mit E-Government“ konnte Prozesseinsparungen für die Verwaltung zwischen 30% und 70% ermitteln. Gerade für Kommunen in Hessen, die im Rahmen des hessischen Schutzschirms unter der Notwendigkeit stehen, ihre Leistungen gegenüber dem Bürger zu kürzen oder Gebühren für den Bürger zu erhöhen, bietet E-Government die Möglichkeit, Kosten einzusparen und gleichzeitig das Leistungsangebot beizubehalten oder sogar noch qualitativ zu erhöhen. Damit E-Government für Kommunen zu einem Erfolgsmodell wird, sollte bei der Gestaltung neuer Angebote stets der Bürger und die Anforderungen aus der Wirtschaft im Blick behalten werden:
Die größte Erleichterung für den Bürger besteht nicht in der Bereitstellung elektronischer Formulare, sondern darin, die (erneute) Übermittlung von bereits beim Staat vorhandenen Daten und Nachweisen zu vermeiden. Einige europäische Nachbarländer haben dies bereits im Grundsatz gesetzlich verankert und verbieten es der Verwaltung, Daten doppelt zu erheben. Dies hat im europäischen Ausland dazu geführt, dass die Daten datenschutzkonform innerhalb der Verwaltung mit der Zustimmung des Bürgers auf dem elektronischen Weg ausgetauscht werden. Das deutsche E-Government Gesetz bietet hierzu entsprechende gesetzliche Möglichkeiten an. Gerade innerhalb der Stadtverwaltung, aber auch in der Zusammenarbeit mit den Landkreisen, könnte der Austausch von Daten eine enorme Vereinfachung für den Bürger bringen, da der Bürger im Idealfall nur die zwingend notwendigen Daten in seinen Anträgen abgeben und mit einer Verwaltungsstelle kommunizieren muss. Diese neuen gesetzlichen Spielräume werden jedoch aktuell kaum genutzt und sind den meisten Entscheidungsträgern in der Regel auch kaum bekannt.
Gerade weil viele Bürger nur unregelmäßig Kontakt mit dem Staat haben, sollten E-Government Angebote so kundenfreundlich wie möglich gestaltet werden. Das bedeutet vor allem ein Verzicht auf zusätzliche Hürden wie eine qualifizierte elektronische Signatur mit teuren Lesegeräten oder umständlichen Sonderlösungen wie DE-Mail, aber eine moderne und attraktive Gestaltung von Dienstleistungsportalen. Ein weltweit viel beachtetes Beispiel aus Hawaii zeigt, dass E-Government nicht langweilig aussehen muss.
Ein weiterer Erfolgsfaktor besteht darin, dem Bürger greifbare Mehrwerte zu liefern. Beispiele erfolgreicher E-Government Vorreiter wie Estland zeigen, dass E-Government nur funktionieren kann, wenn gezielte Anreize in Form von kürzeren Bearbeitungszeiten und niedrigeren Verwaltungsgebühren für die Onlineabwicklung von Verwaltungsleistungen gesetzt werden. Diese Form von Anreizen ist sowohl für die Verwaltung als auch für die Bürger ein Gewinn, denn die Verwaltung profitiert durch die erhöhte Onlineabwicklung langfristig von günstigeren Kostenstrukturen und der Bürger wird über diese Anreize an der digitalen Dividende aus der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen beteiligt.
Scheinkonflikt zwischen digitaler und bürgernaher Verwaltung
Viele Entscheidungsträger in der Politik und Verwaltung führen oftmals gegen eine konsequente Digitalisierung der Verwaltung an, dass diese Entwicklung gerade weniger technikaffine und ältere Mitmenschen den Zugang zum Gemeinwesen verschließt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Digitalisierung bedeutet keine Reduzierung auf den Onlinekanal, sondern eine Stärkung und Verbesserung von Verwaltungsleistungen auf allen Kanälen, denn die digitale Vernetzung ermöglicht ganz neue Formen der Leistungserbringung und ein deutlich besseres Service-Niveau.
Ein gelungenes Beispiel für dieses Potenzial auf kommunaler Ebene stellen sogenannte Bürgerkoffer dar, die in Hessen bspw. in Hofheim am Taunus mit großem Erfolg eingesetzt werden. Ausgestattet mit Laptop, Änderungsterminal für den neuen Personalausweis, Scanner, Drucker und Signaturpad für die Unterschriftsleistung ermöglicht der Bürgerkoffer vielfältige bürgernahe und ortsunabhängige Verwaltungsdienstleistungen. Hierdurch können Verwaltungsleistungen für weniger mobile Menschen vor Ort (bspw. Zuhause oder in Altenheimen) angeboten, aber auch in dünn besiedelten Gebieten eine leistungsfähige Verwaltung zur vertretbaren Kosten erhalten werden. Die Entwicklung solcher mobilen Verwaltungsleistungen aus einer Hand, wie sie bei den aktuellen Bürgerkoffern zu sehen ist, steht jedoch erst am Anfang. In vielen Fällen werden die Einsatzzwecke noch durch Papierakten, fehlende digitalisierte Verwaltungsverfahren und unzureichend kompatible Datenbestände der Verwaltung begrenzt. Falls diese Herausforderungen angegangen werden, wäre es jedoch kein Problem, alle Verwaltungsleistungen einer Kommune für den Bürger mobil anzubieten. Diese Entwicklung wäre auch nicht nur auf mobile Einsatzfelder begrenzt. So könnten bspw. in lokalen Bürgerbüros spezialisierte Sachbearbeiter aus Fachämtern am Hauptverwaltungsstandort per Videokonferenz zugeschaltet werden, um den Bürger bei seinem Sachverhalt zu beraten. Falls in diesem Kontext auch Anträge zu stellen wären, könnten diese Anträge im Rahmen dieses Gesprächs auf digitalem Weg abgeschlossen werden. Es ist durchaus denkbar, dass die Digitalisierung der Verwaltung zu einer Revitalisierung der lokalen Verwaltung in Form von vernetzen Bürgerbüros führt und damit eine neue Form von Regionalisierung in Zeiten einer zunehmenden Zentralisierung von Organisationsstrukturen gewährleistet. Dass diese Vision keineswegs unrealistisch ist, zeigen die Entwicklungen im Bereich der Telemedizin, wo ähnliche Herausforderung (bspw. der ärztlichen Versorgung auf dem Land und zunehmenden Spezialisierung von Krankenhäusern) bewältigt werden.
Standortfaktor digitale Verwaltung
Vor allem aber gegenüber der Wirtschaft bietet eine digitale Verwaltung enorme Vorteile. Die Digitalisierungsvorreiter im Bereich der öffentlichen Verwaltung werden daher enorme Wettbewerbsvorteile für ihren Standort ermöglichen, denn gerade Bürokratiekosten und schnelle Verwaltungsentscheidungen stellen immer mehr einen entscheidenden Standortfaktor für Unternehmen dar. Anders als Bürger haben Unternehmen zahlreiche Kontakte mit der Verwaltung. Schätzungen belaufen sich auf ca. 130 Verwaltungskontakte pro Jahr über alle Verwaltungsebenen hinweg. (siehe Sobania 2007) Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) leiden dabei überproportional unter den Bürokratiekosten. Laut einer Studie aus dem Jahr 2003 belaufen sich bspw. die Bürokratiekosten eines kleinen Unternehmens mit 10 Mitarbeitern auf durchschnittlich 3.759 Euro pro Jahr – jedoch ohne die Ausfallkosten durch verzögerte Genehmigungen (bspw. Baugenehmigungen) zu beachten. Neben den etablierten Unternehmen sind von den veralteten analogen Verwaltungsstrukturen Unternehmensgründer in besonderem Maße betroffen. Die Gründung einer GmbH dauert in der Regel 14,8 Werktage (etwa 3 Wochen!) und verursacht durchschnittlich 95,15 Euro interne Bearbeitungskosten (inkl. Bearbeitungszeit, Wege- und Wartezeit) und viele hundert Euro externe Gebühren für die Unternehmen. Unternehmen sind in der Regel vom ersten Tag an unzähligen Berichts- und Dokumentationspflichten unterworfen, die viel Verwaltungsaufwand verursachen. Vielleicht auch ein Grund dafür, warum wir in Deutschland zurückgehende Zahlen in der Vollerwerbsgründung haben. Alle oben genannten Zielsetzungen sind vor allem auch für Kommunen wichtig, da diese in vielen Fällen die erste Anlaufstelle für Unternehmen und Gründer sind. Daher misst das #cnetz dem Thema E-Government für Kommunen vor allem in der Standortpolitik einen besonderen Stellenwert bei.
Ansatzpunkte für den Start der digitalen Transformation
Auf Basis der oben genannten Punkte erwartet das #cnetz, dass in Zukunft die digitale Transformation für Kommunen einer der wesentlichsten Erfolgsfaktoren sein wird. Allerdings ist es für viele Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene oft nicht naheliegend, wo mit der Digitalisierung angefangen werden soll. Einige Ansatzpunkte liefern Veröffentlichungen wie die NEGZ Studie „Top 100 – Die wichtigsten und am häufigsten genutzten Verwaltungsleistungen für Bürger“, das schon genannte Positionspapier Vitako Positionspapier „Sparen mit E-Government“ oder das Beschlusspapier des CDU Netzwerk Digitalisierung. Darüber hinaus sollte aber auch der bewusste Austausch mit Bürgern, Unternehmen und innerhalb der Partei gesucht werden. In der Regel lassen sich aber viele Handlungsfelder sehr einfach identifizieren, bei denen keine Formerfordernisse und daher ein hohes Einsparpotential für alle Seiten besteht. Ein einleuchtendes Beispiel hierfür liefert die Sondererlaubnis für Handwerker. Für die Sondererlaubnis für Handwerker müssen in der Regel zeitaufwändig Papieranträge gestellt und Papiernachweise (Kopien der Gewerbeanmeldung, der Handwerkskarte, der Fahrzeugscheine beziehungsweise der Zulassungsbescheinigungen für die Fahrzeuge, für die die Genehmigung gelten soll) eingereicht werden. Diese Sondererlaubnis unterliegt jedoch keinen gesetzlichen Formvorschriften wie Unterschrift oder beglaubigte Nachweise durch Landes- oder Bundesgesetze und könnte daher schon heute mit einfachen und kundenfreundlichen Mitteln (einfacher Onlineantrag ohne qualifizierte elektronische Signatur und Upload von Scans oder Verzicht auf Nachweise durch einen internen Datenaustausch) realisiert werden. Laut dem Positionspapier der Vitako könnten durch einen einfachen elektronischen Antrag und die Einreichung von elektronischen Nachweisen für die Sondererlaubnis für Handwerker die Bearbeitungskosten um 75 Prozent reduziert und die Zeiten für die Antragsstellung von 90 Minuten auf 17 Minuten gesenkt werden.
Interne Voraussetzung für die digitale Transformation der Verwaltung
Häufig wird der Fokus im Zusammenhang mit E-Government zu Recht auf Verfahren und Abläufe gelegt, die von staatlicher Stelle Bürgern, Unternehmen und anderen Organisationen bereitgestellt werden. Ohne interne Digitalisierung der Verfahrensbereitung wird dieses Potential aber kaum zu realisieren sein. In vielen Fällen sorgen Papierakten und Medienbrüche durch inkompatible Fachverfahren dafür, dass selbst bei elektronischer Einreichung von Anträgen die interne Verfahrensbearbeitung weiterhin durch Papierprozesse (Druck und Ablage von Dokumenten, Suche von Akten sowie der Transport von Papierakten zu beteiligten Verwaltungsstellen) und erneutes Eintippen von Antragsdaten in die Fachverfahren geprägt sind. Hierdurch wird der Einspar- und Beschleunigungseffekt von elektronischen Anträgen fast vollständig zunichte gemacht und zum Teil auch wieder Mehrkosten bspw. durch den Ausdruck elektronischer Anträge produziert. Daher sind eine vollständige elektronische Aktenführung, kompatible Fachverfahren und integrierte Datenbestände als eine Grundvoraussetzung für den durchgreifenden Erfolg des kommunalen E-Governments zu sehen. Neben der Digitalisierung der Kernprozesse der Verwaltung besteht gerade auch im Bereich von internen Unterstützungsprozessen ein erhebliches Innovationspotential. Hierzu zählen zum Beispiel personalwirtschaftliche, Finanz- oder Einkaufsprozesse. Da eine höhere Vergleichbarkeit mit der Privatwirtschaft gegeben ist, besteht hier die Möglichkeit, auf Angebote und Erfahrungen aus diesem Bereich leichter zurückgreifen zu können. Zum Beispiel haben auch in Deutschland bereits zahlreiche Unternehmen damit begonnen, in einigen dieser Bereiche Cloud-Lösungen einzuführen. Der Vorteil hierbei besteht darin, dass automatisch das Best-Practice-Wissen der Privatwirtschaft genutzt werden kann und die Innovationszyklen bei deutlich niedrigeren Kosten stark verkürzt werden können. Außerdem können viele Cloud-Angebote auch von kleineren Organisationen wirtschaftlich genutzt werden. Zusätzlich sind diese Projekte normalerweise mit niedrigeren Projektrisiken verbunden und erlauben es so auch Städten und Gemeinden, die noch kein ausgeprägtes Know-How in diesem Bereich haben, erste Erfahrungen zu sammeln. Grundsätzlich besteht im Prozess der digitalen Transformation also auch die Chance eines Kulturwandels hin zu mehr Modernität und kontinuierlicher Innovation. Im Mittelpunkt müssen hier aber immer die Menschen stehen, also die Kunden und Mitarbeiter der Verwaltung. Ein wesentlicher Teil der digitalen Transformation ist also auch die Weiterbildung der Mitarbeiter der Verwaltung. Digitalisierungsprojekte sind nicht nur IT-Projekte, sondern vor allem auch Veränderungs- und Innovationsprojekte. Städte und Kommunen die besonders innovationsfreundlich und digitalaffin sind und idealerweise bereits über Digitalisierungs-Know-How verfügen, sollten zusätzliche finanzielle Mittel erhalten, um den Transformationsprozess insgesamt zu beschleunigen.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche und nachhaltige E-Government Entwicklung
Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von E-Government-Vorhaben stellt eine übergreifende Steuerung und Planung von E-Government-Vorhaben auf gesamtstädtischer Ebene dar. In vielen Fällen wurde E-Government in den vergangenen Jahren als reines „IT-Thema“ abgetan oder einzelnen Ämtern überlassen, sodass in der Folge Ressourcen verschwendet wurden und ein unabgestimmtes und oftmals wenig leistungsfähiges E-Government-Angebot entstanden ist. Das #cnetz fordert daher, E-Government als Führungs-, Gestaltungs- und Entwicklungsaufgabe auf der kommunalen Ebene zu verstehen und entsprechend zu verankern. Darüber hinaus besteht in vielen Organisationen eine starke Tendenz, im Status Quo zu verharren und damit keine Innovationen oder nur kleine inkrementelle zuzulassen. Moderne E-Government-Ansätze erlauben aber gerade auch im Bereich von Verwaltung und Behörden disruptive Innovationen mit herausragenden Verbesserungen. In dem Artikel „Unleashing Breakthrough Innovation in Government“ erwähnen die Autoren ein Beispiel, in dem der Parkprozess auf öffentlichen Parkplätzen in Washington komplett digitalisiert wurde. Entscheidende Grundhaltungen, die diese komplette Neugestaltung ermöglicht haben, waren:
(1) Die Fähigkeit zum Experimentieren,
(2) Die Fähigkeit, etablierte Verfahren abzuschalten,
(3) Das Bestehen von funktionieren Feedback-Mechanismen,
(4) Die Belohnung von Produkt und Service-Verbesserungen und
(5) Die grundsätzlichen Beschränkungen der Budgets der Nutzer.
Die Fähigkeit zum Experimentieren ist im Bereich öffentlicher Verwaltungen besonders schwierig herbeizuführen, da eine große Sorge besteht, dass Gelder verschwendet werden, und somit zum Beispiel Vergabeprozesse und Budgetverwendung starken und unflexiblen Rahmenbedingungen unterliegen. Somit wäre es notwendig, zum Beispiel für kleine Pilotprojekte geringere Anforderungen zu akzeptieren. Wenn etablierte Systeme ersetzt werden sollen, muss die Möglichkeit gegeben sein, für eine Übergangsphase Alt- und Neusystem zu betreiben, aber gleichzeitig auch Übereinstimmung erzielt werden, dass das Alt-System auch tatsächlich abgeschaltet werden kann. Insbesondere in der Pilotphase ist es entscheidend, geeignete Feedback-Mechanismen zu etablieren, um das System zu optimieren und schließlich auf Basis von Fakten entscheiden zu können, ob das System die Erwartungen erfüllt und vollständig in Betrieb genommen werden soll. Dies beinhaltet auch die grundsätzliche Möglichkeit, daß Vorhaben nach der Pilotphase nicht weitergeführt werden. Dies ist nicht verfänglich und sollte den handelnden Personen als Stärke angehaftet werden. Im Gegensatz zur Privatwirtschaft, in der das grundlegendste Feedback der wirtschaftliche Erfolg ist, müssen im Bereich der Verwaltung andere „Belohnungskriterien“ genutzt werden. Vor allem denken wir hier an Feedback direkt von Kunden der Verwaltung und Feedback, das die Servicenutzung und -qualität betrifft. Insgesamt ist gerade das Schaffen einer Innovationskultur in deutschen Unternehmen und in der Verwaltung noch nicht so ausgeprägt wie im angelsächsischen Raum. Um mit der rasanten technologischen Entwicklung und den Folgen der Globalisierung mithalten zu können, ist diese Fähigkeit aber gerade hervorzuheben. Eine engere und einfachere Zusammenarbeit von Unternehmen und Behörden ist bei Innovationsvorhaben daher zu begrüßen.
Synergien zwischen Kommunen und mit der Landesebene nutzen
Da nicht jede Kommune die Investitionen in die Entwicklung von digitalen Diensten allein tragen kann und dies bei immer wieder ähnlichen Fragestellungen auch nicht sinnvoll wäre, sollten die Kräfte der Kommunen gebündelt werden. Eine zentrale Beschaffung, Entwicklung, Service-Bereitstellung und Datenhaltung würde so erhebliche Synergien zwischen den Kommunen ermöglichen und für viele Gemeinden E-Government-Angebote überhaupt erst ermöglichen. Dies macht vor allem da Sinn, wo der Bedarf vieler Städte und Gemeinden vergleichbar am größten und der Nutzen für Kommunen und/oder Bürger am größten. Dem Steuerzahler würden auf diesem Wege enorme Kosten erspart. Als positives Beispiel der möglichen gemeinsamen Ressourcennutzung sei der Zusammenschluss zahlreicher Rechenzentren der Gebietskörperschaften erwähnt.
Neben der Zusammenarbeit innerhalb der Kommunen ist vor allem aber auch der Schulterschluss mit dem Land in Form gemeinsamer Verwaltungsportale und Basisdienste wie ePayment oder Bürger-/ Unternehmenskonten notwendig. Sehr beachtenswerte Beispiele liefern hier vor allem die Länder Bayern und Baden-Württemberg mit ihren föderalen Verwaltungsportalen. Diese Länder bieten mit modernen Portalen für Bürger und Unternehmen ein E-Government aus einer Hand an und stellen den Kommunen viele zentrale Basisdienste für die Entwicklung eigener E-Government Angebote kostenlos zur Verfügung. Vor allem bei dieser Form von E-Government-Partnerschaft zwischen Land und Kommunen lässt sich in Hessen ein Nachholbedarf identifizieren. Es ist daher positiv anzusehen, dass in der Digitalstrategie von Hessen die Verbesserung der Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Land und Kommunen als ein zentrales Ziel aufgenommen wurde. Mit Hinblick auf die vielen positiven Beispiele in anderen Ländern sollte diese Form der Partnerschaft daher auch bei den aktuellen Arbeiten zur Modernisierung des Verwaltungsportals in Hessen ausreichend Beachtung finden.
Auch wenn zahlreiche Behörden und Beteiligte notwendig sind, um die digitale Transformation der hessischen Verwaltung zu ermöglichen, sind es die Kommunen, die den direktesten Bezug zu den Bürgern haben. Ihnen geht in diesem Zusammenhang eine zentrale Führungsrolle zu, den Prozess auch zielgerichtet und nutzenbringend aktiv voranzutreiben. Daher sollten alle Kommunen die notwendigen Kompetenzen aufbauen, an der Erstellung einer individuellen Roadmap für die Digitalisierung Ihrer Stadt arbeiten, und davon abgeleitet, die Unterstützung aller notwendigen Partner einfordern.
Aufruf die Digitalisierung in den Kommunen zu gestalten
Das #cnetz Hessen ist der Überzeugung, dass ein enormes Potenzial in der digitalen Transformation der Verwaltung und dem Ausbau des E-Government-Angebots für die Bürger und Unternehmen steckt. Es steht aber auch viel auf dem Spiel. Daher ist eine Verweigerungshaltung nicht hilfreich. Im Grunde steht nicht mehr zur Debatte, ob eine Digitalisierung stattfinden muss, sondern nur noch, auf welchem Weg und über welchen Zeitraum. Als wesentlich für eine erfolgreiche digitale Transformation in Hessen sieht das #cnetz Hessen folgende Punkte:
Wissen und Erfahrungen bei Mitarbeitern in allen Städten und Behörden schnell und systematisch aufbauen
- Mut und Möglichkeiten zum Experimentieren verbessern
- Individuelle „Roadmap“ für die Digitalisierung Ihrer Stadt erstellen
- Finanzielle Unterstützung von innovativen und digitalisierungsfreundlichen Kommunen
- „Online-First-Strategie“ konsequent umsetzen
- Erfahrungsaustausch zwischen Städten und Behörden in Hessen, Deutschland und weltweit fördern
- Behördenübergreifenden Datenaustausch und das Prinzip der „Einmaleingabe“ als grundsätzliche Regel definieren
- Koordination und Kooperation auf Landesebene
- Kontakte und Partnerschaften mit potenziellen Umsetzungspartnern etablieren
Es liegt daher vor allem auch an der Initiative der kommunalen Entscheidungsträger, das Potenzial der Digitalisierung zu heben und zusammen mit den anderen Beteiligten zu einem Erfolg zu führen. Das #cnetz in Hessen steht auf diesem Weg als Impulsgeber und Ansprechpartner bereit.
Autoren: Andreas Fauler und Alexander Hoose
Quellen:
Sobania, K. (2007): E-Government-Anforderungen der Wirtschaft, in Zechner, A. (Hrsg.), Handbuch E-Government. Stuttgart, S. 75-78.
BMWi (2014): “Erfüllungsaufwand im Bereich Betriebsgründung – Ablauf von der Geschäftsidee bis zum ersten Umsatz”
Nikhil R. Sahni, Maxwell Wessel, & Clayton M. Christen- sen (2013): Unleashing Breakthrough Innovation in Government. Standford Social Innovation Review.