Das Leistungsschutzrecht hemmt Innovation. Es fördert sie nicht.

Mit dem Entwurf der Bundesministerin der Justiz gibt es nun eine Diskussionsgrundlage. Aus Sicht des cnetz sind grundsätzliche Initiativen begrüßenswert, die Rechte von Autoren und Künstlern schützen. Ein neues Gesetz muss daher einem solchen Zweck dienen. Vor allem muss das Ziel von Gesetzgebung aber sein, Rechtsunsicherheiten im Internet abzubauen und Präzisierungen zu schaffen. Der vorliegende Entwurf zu einem Leistungsschutzrecht für Verleger kann deshalb nur dann unsere Zustimmung finden, wenn sichergestellt ist, dass keine neuen Rechtsunsicherheiten entstehen. Ob dies durch den vorgelegten Gesetzesentwurf gewährleistet wird, daran bestehen erhebliche Zweifel – dies wird aber im weiteren Verfahren zu klären sein. Ein Gesetz, das neuen Abmahnwellen eine Grundlage schafft, werden wir ablehnen.

Wir brauchen eine generelle Haltung des Gesetzgebers, die Innovationen im Internet fördert und nicht hemmt. Wir haben die Sorge, dass das Leistungsschutzrecht in der vorliegenden Form dazu keinen Beitrag leisten kann.

Im Folgenden nun aus Sicht des cnetz ein erster Katalog mit Fragestellungen und Problemfeldern:

Der Entwurf erfuhr unmittelbar nach der Veröffentlichung heftige Kritik. Auch seitens der Wirtschaftsverbände, nicht nur durch Blogger und Wissenschaft. Einige unten aufgeführte Beispiele belegen dies:

BITKOM:
http://www.bitkom.org/72513_72511.aspx

irights.info/Kreuzer:
http://www.irights.info/index.php?q=node/2226

Hoesmann:
http://hoesmann.eu/praktische-probleme-des-geplanten-leistungsschutzrechts

Stadler:
http://www.internet-law.de/2012/06/kurzanalyse-des-gesetzesentwurfs-zum-leistungsschutzrecht.html

Wortfeld:
http://www.wortfeld.de/2012/06/recht-masig

Biermann:
http://www.zeit.de/digital/internet/2012-06/leistungsschutzrecht

Telemedicus:
http://www.telemedicus.info/article/2332-Der-Entwurf-zum-Presse-Leistungsschutzrecht-kommentiert.html

Wikimedia:
http://blog.wikimedia.de/2012/06/15/wikipedia-bequellen-nur-mit-leistungsschutzgeld

Es gab also mehrheitlich negative Kommentare. Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass der Gesetzentwurf an entscheidenden Stellen eben nicht die erwünschte Klarheit, sondern eher neue Unsicherheiten schafft.

Der Gesetzesentwurf enthält zu viele Unsicherheiten. Es darf nicht sein, dass – wie von Juristen befürchtet – dieses Leistungsschutzrecht eine Abmahn- oder Klagewelle auslöst. Das Gesetz soll den Schutz von Presseerzeugnissen im Internet verbessern und Presseverlage im Online-Bereich nicht schlechter stellen als andere. Es darf aber nicht Nutzer sozialer Netzwerke wie Google+, Facebook oder Twitter sowie Blogger verunsichern. Ziel ist eine verständliche und akzeptable Lösung. Deshalb sollte mindestens folgendes klar geregelt werden:

Links und Zitate müssen frei bleiben, die Begründung des Referentenentwurfs spricht von „bloßer Verlinkung“. Das ist in dieser Form aber nicht sinnvoll, weil zu ungenau. Bedeutet das, dass nur die URL frei ist? Was darf ich als Linktext angeben, wenn die Überschrift des Presseartikels kürzer ist als die URL?

Wie sollen Suchmaschinen mit dem vorgelegten Leistungsschutzrecht umgehen? Wenn man „Biber“ in eine Suchmaschine eingibt, dann bekommt man neben dem Link auch eine Überschrift und einen kurzen Text geliefert, der dem Nutzer eine Ahnung gibt, worum es in dem Text geht. Man könnte also auch dies als „Snippets“ bezeichnen. Heißt das, dass alle publizierten journalistischen Texte, die künftig unter den Schutz des Leistungsschutzrechtes fallen, nicht mehr kostenlos durch Suchmaschinen gelistet werden dürfen? Die Antwort auf diese Frage dürfte „Ja!“ lauten. Mindestens gibt es unterschiedlichen Antworten auf diese Frage.

Wir meinen daher auch: hinter die Paperboy-Entscheidung des Bundesgerichtshofes darf das Leistungsschutzrecht nicht zurückfallen. Verletzen Nutzer das Leistungsschutzrecht, weil sie die erforderlichen Rechte nicht eingeholt haben, könnten die Betreiber sozialer Netzwerke als „Störer“ zur Verantwortung gezogen werden. Das Youtube-Urteil des Hamburger Landgerichts bietet dafür die passende Vorlage.

Wir sind überzeugt: Alle, die auf Presseartikel verlinken, erbringen auch eine Serviceleistung für Presseverlage, weil sie deren Inhalte bekannter machen. Darum muss hier eine Klarstellung erfolgen.

Gleiches gilt auch für Zitate. In der aktuellen Kommentierung streiten Juristen darüber, was genau zugelassene Zitate sind und ob das Zitatrecht nun eingeschränkt wird oder nicht. Aus Sicht des cnetz darf nur dann eine Beschlussfassung über das Leistungsschutzrecht erfolgen, wenn für alle Autoren und Nutzer zweifelsfrei klar ist, dass wie bislang zitiert werden darf.

Ferner muss ebenfalls geklärt sein, dass bestehende Texte – auch im Internet – nicht überarbeitet werden müssen. Ein Leistungsschutzrecht darf nicht rückwirkend anwendbar sein, sondern sich nur auf Texte beziehen, die nach dem Beschluss des Gesetzes verfasst bzw. veröffentlicht worden sind. Bereits nach altem Recht verfasste und publizierte Texte sollen einen uneingeschränkten Bestandsschutz haben.

Außerdem wollen wir eine Klarstellung bzw. Definition der „gewerblichen Nutzung“. Nach unserem Verständnis liegt nicht pauschal eine gewerbliche Nutzung vor, wenn auf einem Blog flattr oder Google Adwords eingebunden sind. Hier muss zum Schutz von Bloggern eine klare Definition her. Eine Idee könnte sein, an die steuerrechtliche Gewinnerzielungsabsicht anzuknüpfen, auch wenn dies bislang dem Urheberrecht fremd ist. Der Versuch des Justizministeriums, in der Gesetzesbegründung Blogs in verschiedene Varianten einzuteilen, wird angesichts ihrer Vielfältigkeit nur schwer gelingen.

Wir unterstützen daher die klare Forderung der Unionsfraktion, die „Blogger ohne Gewinnerzielungsabsicht“ vom Leistungsschutzrecht ausnehmen will. Nach unserem Verständnis fallen darunter auch Blogger, die zum Beispiel neben ihrer beruflichen Tätigkeit als Journalist privat einen Blog betreiben. Hier muss das von der FDP geführte Justizministerium seine Absicht klarer formulieren.

Eine weitere Frage: wie verhält es sich mit bloggenden Politikern? Nach der vorliegenden Interpretation wäre auch hier die Frage zu stellen, ob diese unter das Leistungsschutzrecht fallen. Ihre „Gewinnerzielungsabsicht“ bzw. die “gewerbliche Nutzung” ist zwar nur mittelbar, aber natürlich bloggen Politiker, um Menschen zu informieren und zu erreichen – im Zweifel also auch, um wieder gewählt zu werden. Schon dieses Beispiel zeigt doch, wie unzureichend und unklar, die vorliegende Definition ist.

Der Referentenentwurf verpflichtet die Presseverleger nicht, eine Verwertungsgesellschaft zu gründen. Auf den ersten Blick vermeidet das zusätzliche Bürokratie und den Aufbau eines Verwaltungsapparats. Aber wird damit nicht u.U. größere Unsicherheit geschaffen? Einige Verlage werden sich zusammenschließen und eine eigene Verwertungsgesellschaft gründen. Andere werden ihre Rechte nicht übertragen und eigene Bedingungen aufstellen, welche Nutzungen kostenpflichtig werden. Für einen potentiellen rechtstreuen Nutzer werden so hohe Hürden aufgebaut.

Es muss klar sein, dass ein Leistungsschutzrecht, das einen ökonomischen Ausgleich schaffen soll, nicht das Grundrecht auf Informationsfreiheit oder das Recht auf freie Meinungsäußerung tangiert.
Diese Zweifel müssen strikt und klar ausgeräumt sein.

Die CDU/CSU hatte formuliert, dass sie ein „eng begrenztes“ Leistungsschutzrecht unterstützt. An dieser Begrenzung fehlt es aus unserer Sicht im Gesetzesentwurf. Wir sind auf die weiteren Diskussionen sehr gespannt.

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